5. Tag: Die Geister die ich "Rif"

 

Ich bin nicht sicher, ob es eine so gute Idee war gleich am ersten Tag durch das berüchtigte Rif-Gebirge zu fahren. Vielleicht war es aber auch gerade richtig um den Rest der Reise umso intensiver zu genießen. Aber der Reihe nach...

 

 

Bevor wir ins Rif-Gebirge starten, müssen wir am Abend zuvor erstmal unser Hotel finden. 

 

Nachdem wir ja erst nach Sonnenuntergang vom Fährhafen losdüsen konnten, haben wir beschlossen: morgen, den ersten Tag auf dem fremden Kontinent lassen wir langsam angehen. Es ist schließlich Afrika, da läuft manches anders - und einiges auf den Straßen rum...

 

Die ersten Kilomter von der Fähre zum Hotel waren auch gleich die ersten Kurven im Dunkeln. War da nicht was? Im Reiseführer und auch sonst in jedem Reisebericht, den wir in den vergangenen Wochen gelesen hatten, hiess es: Egal was passiert - niemals im Dunkeln fahren!!! In Marokko ist das Problem: es gibt Fahrzeuge, die kein Licht haben. Menschen und Tiere laufen genauso wie tagsüber an der Straße herum und tauchen plötzlich aus dem Nichts auf. Also was tun? 37 km liegen vor uns, da ist es wohl ziemlich egal, ob wir Küstenstraße oder Nationalstraße fahren, zumal es auf beiden dunkel ist.

Wir entscheiden uns für die Küstenstraße, schöne Kurven, die wir genauso wie das Meer nur erahnen können. Es kommen uns einige Fahrzeuge entgegen, die uns anblinken, so helle LED-Scheinwerfer ist man hier wohl nicht gewohnt. Die ersten Kilometer klopft mein Herz bis zum Hals, hochkonzentriert taste ich mich voran. Eine Baustelle, ein Mann in Warnweste passt auf, dass keiner in der Grube verschwindet. Der Rest der Truppe sitzt auf dem Randstein und plaudert. Dann ein unbeleuchtetes Baufahrzeug und immer wieder Gestalten, die am Straßenrand entlang schlendern. Plötzlich eine Polizeikontrolle, ausgeleuchtet wie die Arena von Bayern München. Wir werden durchgewunken. Daran muss man sich gewöhnen. Vor allem im Norden werden wir alle paar Kilometer eine solche Kontrolle sehen. Es heisst aber, dass Touristen kaum angehalten werden.

Kurz nach 22 Uhr und zwei Ehrenrunden ums Hotel auf der Suche nach der Garage sind wir endlich da.

Wir lassen uns zeigen wo wir parken können und rollen hinunter in die Katakomben. Garage und Lavage. Es riecht muffig, nach nassem Hund, was daran liegt, dass tatsächlich ein Wachhund am Waschplatz angekettet ist. Er ist kaum zu sehen auf dem Bild, versteckt sich hinter der Säule und ist eigentlich ganz lieb. Dafür ist er umso mehr zu riechen, ein Duft der uns auf unserer Reise bald wieder begegnen wird.

Wir freuen uns, dass unsere Motorräder sicher stehen, gehen aufs Zimmer, das eher ein großes Appartement ist, und fallen müde ins Bett.

 

 

Am nächsten Morgen sieht die Welt freundlich aus. Der Hund, sein Geruch und unsere Motorräder sind noch da. Die nordafrikanische Sonne steht schon recht hoch, das Frühstück ist gut, der Tee: grün, stark und megasüss. Wir planen unsere Route und schauen schon mal im Internet nach einer Unterkunft in Fès.

 

 

Alle sagen: Fès muss man gesehen haben. Die älteste der 4 Königstädte von Marokko, Fès, Marrakesch, Meknes und Rabat. Wir werden nicht alle sehen können, aber Fès liegt auf dem Weg in die Wüste und dort im sandigen Süden wollen wir noch vor dem Wochenende sein.  Wir entscheiden uns für die Route durch das Rif-Gebirge, die laut Landkarte landschaftlich sehr schön sein soll. Aber eine recht arme Gegend, in der der Hanfanbau eine große Rolle spielt.  Immer wieder liest man in Reiseberichten, dass man vorsichtig sein soll, wenn man dort unterwegs ist. Überall werde einem Haschisch aufgedrängt.

Die "blaue" Stadt Chefchaouen, die auch sehr sehenswert sein soll, liegt auf dem Weg. Da wir aber mehr als 300 km bis Fès haben und noch nicht wissen wie schnell man hier voran kommt, wird die Zeit zu knapp für einen Abstecher. An einer Tankstelle in Sichtweite des Ortes trinken wir einen Kaffee und kommen mit Chalid ins Gespräch. Er ist in Chefchaouen geboren, lebt aber schon seit 30 Jahren in Berlin. Er sagt dort ist es für ihn im Rollstuhl einfacher als hier in seinem bergigen Heimatort. Was er an Deutschland nicht so mag: dass die Menschen oft nur das negative sehen. Die Marokkaner seien anders, freundlich und ehrlich, "naja, die meisten" fügt er lachend hinzu. Ein paarmal im Jahr kommt er nach Chefchaouen seine Familie und Freunde besuchen und seine Frau, sie lebt hier. Fernbeziehung auf marokkanisch.

 

 

Wir verplaudern uns ein wenig, und stellen erschrocken fest, wie schnell eine Stunde vorbei ist.

Schnell nochmal zur Toilette, bevor es weiter geht. Ja, es sieht etwas anders aus als auf den Raststätten daheim, aber es ist meistens sauberer als in Deutschland. Man muss nur genauer hinschauen und das Clo wählen, in dem es über dem  Eimerchen auch einen funktionierenden Wasserhahn gibt. Erkenne den Unterschied:

 

 

Der Weg ist noch weit. Dass er auch holprig und mühsam ist, merken wir erst ein paar Kilometer weiter, als wir durch die ersten Dörfer tiefer im Rif-Gebirge fahren. Loch an Loch und hält doch, denke ich und holpere auf der Hauptstraße meist im ersten oder zweiten Gang hinter den überladenen LKW, Kleintransportern mit Ziegen und Schafen hinterher. In jedem Dorf ein munteres Markttreiben mitten auf der Hauptstraße. Kreuz und quer fahren und laufen die Einheimischen, scheinbar einfach wie es jedem gerade passt. Ein undurchsichtiges Gewusel, das für uns erst einmal gewöhnungsbedürftig ist. Wir versuchen uns anzupassen und "mitzuschwimmen" und  nicht in einem der reisekoffergroßen Schlaglöcher unter zu gehen. Hin und wieder ruft uns jemand etwas unverständliches zu, oder hält ein kleines Päckchen mit einer braunen Masse hoch. Das ist es also: sie wollen Haschisch verkaufen. Touristen in Autos würden jetzt vielleicht die Türen von innen verriegeln. Wir fahren vorbei und: warten was passiert. Ein junger Mann läuft neben mir her und versucht mir auf französisch etwas zu sagen, dann auf englisch: "Madame, your Bag is open". Oh, ich habe nach dem letzten Stopp den Reißverschluss an meiner Bauchtasche nicht zu gemacht. Ich stoppe kurz und schließe die Tasche. "Merci". Er lächelt und ruft uns hinterher: "Bonne Route". Meine Sonnenbrille ist noch da, nichts ist rausgefallen und reingetan hat auch niemand was, alles ist gut. Nein, wir fühlen uns weder bedrängt noch bedroht. Es ist schon eine ganz andere Welt, aber halt einfach das ganz normale Treiben in den Orten hier.

 

 

Die wundervolle Landschaft und die vielen neuen noch fremden Gerüche nehme ich kaum wahr, so sehr bin ich damit beschäftigt mich auf die Straßen zu konzentrieren und Slalom um die Löcher zu fahren. Was natürlich auch Busse und Trucks tun, das macht das Fahren auf der Nationalstraße zu einem unerwarteten Abenteuer. Nach einer Kurve wieder eine der typischen Polizeikontrollen. Wir haben uns inzwischen daran gewöhnt, dass wir durchgewunken werden. Diesmal geht der Arm des Gendarmen raus: Ich muss stoppen. Bernd hat er weiter fahren lassen. Ich habe den Eindruck dem Mann in Uniform ist es etwas langweilig und er hat sich kurz entschlossen überlegt,  das zweite Motorrad doch mal genauer anzuschauen. Er fragt nach meinen Papieren, umrundet das Motorrad neugierig und winkt mich nach 3 Minuten weiter, so spannend wars dann wohl doch nicht.

 

Im Nächsten Ort soll laut Navi ein Kreisel kommen, an dem müssen wir rechts und dann ist schon die Hälfte der 320 km bis Fès geschafft. Welcher Kreisverkehr aber bitte? Ein einziges Chaos aus Löchern, Matsch, Schotter und wildem Gehupe. Apropos Hupen: Das mussten wir erstmal lernen: Die Hupe ist offenbar ein wichtiges Kommunikationsmittel. Meist grüßt man damit, oder kündigt an, dass man überholt, oder signalisiert dass alles ok ist. Es ist jedenfalls nie wirklich böse gemeint, eher freundlich.

Und auch das Fahren ist weniger chaotisch als es auf den ersten Eindruck wirkt. Es kommen immer irgendwie alle aneinander vorbei. Es geht weder agressiv noch rücksichtslos zu, auch wenn man mal rechts oder links überholt wird. Man muss halt schauen und langsam machen. Hier geht es nicht darum erster zu sein oder Recht zu haben, sondern um "leben und leben lassen". 

 

Wir haben uns eingegroovt als wir wieder raus rollen aus dem Rif-Gebirge. Der Plastikmüll am Straßenrand und das Chaos in den Dörfern wird weniger. Meinen ersten Gedanken "wenn das so weiter geht, freu ich mich schon auf die Heimreise..." habe ich längst wieder verworfen, als wir in ein sattgrünes Tal fahren mit einer tollen Aussicht.

 

Die Sonne steht schon recht tief und wir haben noch knapp zwei Stunden bis zur alten Königsstadt.

Plötzlich vor uns eine dicke schwarze Rauchwolke. Als wir überholen entpuppt sie sich als uralter roter Polo. Es ist immer wieder erstaunlich was hier alles so rumfährt und offenbar unkaputtbar ist. Wir sehen nur selten Autos am Straßenrand mit offenen Motorhauben und ein paar Männern die basteln.

 

Jetzt kommen wir endlich gut voran; es läuft richtig zügig und entspannt... warum eigentlich... wo sind die Löcher in der Straße?

Knapp vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wir die Altstadt von Fès. Wir biegen von der Hauptstraße rechts ab durch das Stadttor in die berühmte Medina. Begleitet von einem freundlichen zahnlosen hageren Mann auf einem Mofa der uns in verschiedenen Sprachen versucht zu einem Hotel zu lotsen. Wir geben ihm zu verstehen, dass wir schon eine Unterkunft haben. Ich tue so als würde ich mich auskennen und wüsste genau bescheid. Er lächelt, sagt: "ok, willkommen in meiner Stadt!" und fährt weiter.

 

Wir haben uns eine typische traditionelle Unterkunft ausgesucht: ein Riad in der Medina. Das bedeutet: erstmal suchen. Schnell findet sich ein junger Mann, der meint das Haus zu kennen... wir irren durch die Gassen und treffen dann einen anderen jungen Mann, der einen riesigen Koffer und einen dazu gehörigen französischen Touristen im Schlepptau hat. Welch ein Zufall: der Kofferschlepper ist von unserem Riad. Noch zweimal um die Ecke und dann sind wir da. Alleine hätte ich das nie gefunden: das Schild am Haus und der Eingang sind so unscheinbar, dass man beides schnell übersieht.

 

"Oh, how are you... you are tired?" Empfängt mich die Chefin des Riads freundlich. Yes, i am very tired... und durchgeschwitzt.

Der Rückweg raus aus der Medina zur Straße ist nur 50 Meter lang. Ja, hier kann man sich prima verlaufen.

Wir können die Motorräder schräg gegenüber auf einem bewachten Schotterparkplatz abstellen. Und dann sind wir endlich angekommen. Geniessen das Willkommen mit dem tradionellen Minztee und Keksen und später das Abendessen - Tajine, der typische Tontopf mit der Pyramide als Deckel, bei dem man nie weiss, was darunter ist... in diesem Fall Kartoffeln, Hühnchen und Karotten, also für mich... Bernd scheint schon Heimweh zu haben und entscheidet sich für Steak mit Pommes... mir wäre das nicht koscher in diesem Zusammenhang, und, ja, das passiert ihm in diesem Urlaub sicher nicht wieder :-)

 

Noch müder als gestern fallen wir in das große gemütliche Bett. Die Decke legt sich wie Blei über uns, sie ist tatsächlich so schwer und dann steigt mir dieser Geruch in die Nase, der mir irgendwie bekannt vorkommt.


<- 4. Tag                                                                                                                                   6. Tag ->

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Kommentare: 3
  • #1

    Armin aus Berkheim (Montag, 23 April 2018 22:00)

    Freut mich das es weitergeht, hab mir schon Sorgen gemacht !
    Wünsche euch weiterhin eine tolle Reise ohne Zwischenfälle.

    Grüsse Armin

  • #2

    Obersexau (Montag, 23 April 2018 22:07)

    Uiiii ��� Schnitzel mit Pommes in Marokko ????
    Bestimmt aber keine Steckdose � ��
    LG aus der dunklen Nacht von Obersexau
    Axel

  • #3

    Mario Kobolla (Dienstag, 24 April 2018 08:25)

    Hallo,
    ein sehr schöner und kurzweiliger Abriss von den ersten Eindrücken. Schön, dass alles soweit geklappt hat. Weiter so!!! Viel Spaß auf der weiteren Strecke.