9. Tag: Ich möchte diesen Teppich nicht kaufen...

 

Von Merzouga nach Boumalne Dadès

 

Inspiriert und voller Eindrücke brettern wir über die Piste zurück auf die Hauptstraße. Das Ziel heute: Boumalne. Der Ort liegt am Eingang zum berühmten Dadès-Tal im Hohen Atlas. Auf dem Weg dorthin werden wir an der Thodra-Schlucht vorbei kommen. Beide sollen sehr sehenswert und für Marokko-Neulinge ein "Muss" sein. Da es schon recht spät ist und wir fast 300 km vor uns haben, verschieben wir das Touriprogramm aber auf morgen und suchen eine internette Unterkunft. Ecolodge Amskou schaut ansprechend aus und ist günstig. Wir geben die Adresse ins Navi ein und los gehts.

 

 

Wie im Film pustet der Wind den Wüstensand über die Straße und wir fühlen uns zwischen den Verwehungen wie Leinwandhelden. In Rissani biegen wir ab und fahren auf der N12 durch den Atlas, das Sarhro-Gebirge am nördlichen Rand der Wüste. Als wäre es verabredet taucht ein kleiner Ort auf. Der Magen fängt gerade an zu knurren und wir wittern eine Tajine. Eine blau-weiß-orange Gruppe aus Tuttelbären und KTMs tuckert vorbei und hält an der Tankstelle schräg gegenüber. Die Österreicher schauen neidisch auf unsere Teller, aber der Guide gibt gnadenlos Gas. Wir stellen fest, dass wir bisher wenig bis gar keine Motorradfahrer gesehen haben, das war jetzt grad die erste Reisegruppe, die unseren Weg kreuzt. Das wird im Hohen Atlas sicher noch anders.

 

 

Am frühen Nachmittag erreichen wir Thinghir. Hier ist der Abzweig zur Todra-Schlucht. Jetzt nimmt die Motorraddichte doch etwas zu: wir sehen einige, die aus der Schlucht zurück kommen. In einem Straßencafe trinken wir Nousnous (Milchkaffee) und beobachten das Treiben. Sehr gemütlich mitten in der Touristenfalle sitzen wir in der ersten Reihe und bestellen noch einen frisch gepressten Orangensaft. Auf dem Gehweg ein paar Jungs, die versuchen ausländische Besucher wie uns abzuzocken. Wir schauen einmal streng und behalten unsere Mopeds im Auge. Als der Chef des Cafes kommt, bellt er sie kurz aber relativ sehr sanft an. Sie lassen uns jetzt in Ruhe, dafür haben wir ihn an der Backe: Mohammed. Er erzählt irgendwas von einem Berbermarkt, wo es die schönsten Teppiche aus dem Hohen Atlas gibt, nur heute und nur dort. Ja klar. Er will unbedingt Stadtführer spielen und uns das Judenviertel zeigen, erklärt uns warum Berber und Deutsche sich so ähnlich sind: beide haben eine alte Kultur und sind reich. Aha. Irgendwann hat er uns dann aber doch soweit, dass wir Helme und Jacken in seinem Cafe deponieren und hinter ihm her trotten. An jeder Ecke in dem scheinbar fast unbewohnten jüdischen Viertel wird saniert. Im ZickZack durchs Labyrinth und zack stehen wir in einem Teppichladen. Der Geheimtipp! Ohne ihn hätten wir den vermutlich nie gefunden. Geschickt hat er uns einmal im Kreis herum geführt. Nicht ohne Absicht -natürlich. Er weiss, dass wir es wissen, das gehört hier zum Spiel. Jeder entscheidet selbst, ob und wie er mitspielt.

 

 

Bei einem Tee wehren wir uns höflich und erfolgreich. Als wir gehen wollen entdecke ich aber doch ein wunderschönes Tuch, so eins wie es die Berberinnen tragen: tiefschwarz mit leuchtend bunter Wollstickerei. Das nehme ich mit und ein Kleid noch dazu, 450 Dirham sind sicher kein Schnäppchen, aber mir ist es das wert. Die Jungs verhandeln noch fröhlich wieviele Kamele ich wohl wert wäre und dann ziehen wir lachend davon. Keine drei Minuten später und vier Ecken weiter stehen wir wieder vor unseren Motorrädern. Wie haben wir nur ohne Mohammed wieder zurück finden können und dann noch so schnell?

 

50 km haben wir noch vor uns auf der "Straße der Kasbahs" und geraten schwer in Schräglage. Der Wind pustet stramm von links aus dem Süden, der Saharastaub trübt die Sicht. Nach einer knappen Stunde sind wir endlich am Ziel. Aber da ist keine Ecolodge. Wir befragen das Orakel, google sagt: mitten rein in den Ort und dann ganz hoch. Wir verfransen uns in den Wohnvierteln mit den kleinen einfachen Lehmhäusern, wie in einem Labyrint, in dem die Straßen einfach irgendwann aufhören. Kinder schauen uns an wie Außerirdische und ich fühle mich auch genauso. Da, ein Schild "Ecolodge". Eine steile Schotterpiste führt hinauf, ich bleibe wie angewurzelt stehen. Von Bernd sehe ich nur noch eine Staubwolke und ein paar Steinchen, die umherfliegen. Wer da hoch will muss Gas geben, nicht zuviel, aber auch nicht zu wenig. Irgendwann kommt er zurück, nein das ist nicht unsere Unterkunft da oben. Ich atme erleichtert auf, da wäre ich niemals hochgefahren. Wir eiern dann noch eine gute Stunde hin und her, halten irgendwann entnervt an einem Cafe. Während wir etwas zu trinken bestellen fragen wir, ob wohl jemand diese Ecolodge Amskou kennt. Der Kellner lacht und sagt, dass er das jeden Tag gefragt wird. Ja ein paar hundert Meter weiter, in einem kleinen Vorort werden wir den Bauernhof finden. Ich werde das Gefühl nicht los, dass alle hier auf der Terasse vor dem Cafe genau wissen, warum wir schon viermal auf und ab gefahren sind, bevor wir uns entschlossen haben zu fragen. Ich wette es wurden Wetten darauf abgeschlossen, ob wir nur nach dem Weg fragen, oder auch etwas zu trinken bestellen.

Wir wiederum schliessen Wetten ab, dass Touristen, die fragen, ohne etwas zu bestellen, nur ein Achselzucken bekommen.

Wir sind froh, dass wir jetzt endlich wissen wo wir hin müssen, theoretisch zumindest. Als wir an der beschriebenen Stelle sind, müssen wir doch nochmal fragen. Aber es scheint sich inzwischen herumgesprochen zu haben, dass da zwei Außerirdische trotz modernstem Radar ihre Landebahn nicht finden können. Ein kleines Mädchen winkt uns und läuft vor uns her um uns die Einfahrt zu zeigen. Und beim dritten mal hinsehen, erkennen wir auch das handgemalte kleine Schild.

Nagut, wir hätten es uns auch einfach machen und die Koordinaten ins Navi eingeben können, wie der Vermieter in einer e-mail schrieb, die wir aber erst am nächsten Tag lesen. Der Bauernhof liegt in zweiter Reihe hinter den Häusern an der Hauptstraße, sehr ruhig und schön versteckt.

 

 

 

 

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