Wolkenbruch und stürmische Bayern
Anfang Oktober 2018.
Wir sitzen vor dem Hotel in Sardinien. Es regnet, zwei Bayern sind gerade mit ihren Aprilia-Flitzern angekommen und wir jammern gemeinsam ein bisschen auf hohem Niveau über das Wetter und dass es wohl heute nix mehr wird mit einer schönen Runde durch das höchste Gebirge Sardiniens: den Nationalpark Gennargentu. Da kommt, wie so oft die Frage: „...und wie seid ihr so unterwegs?“ Bernd sagt: „Multistrada“, „Ahja, die geht zu zweit ja wohl ganz gut.“, sagt einer der Buben. „Ja, vermutlich geht die auch zu zweit ganz gut“, sage ich und Bernd ergänzt: „Suse fährt selbst.“ Und schon geht’s los: „Ach, Du fährst auch? Was fährst Du denn?“, „Multistrada“. „Wie? Multistrada? Fahrt ihr abwechselnd?“, „Nein, ich habe eine eigene.“ Bernd: „Sie fährt ja mehr als ich: in zwei Jahren fast 40.000 Kilometer, nur auf der Multi, da sind ihre anderen beiden Mopeds noch garnicht dabei.“ „Ja, wie jetzt, Du? Alleine?“ Naja, so ging das dann noch eine Weile weiter, Gespräche über Motorräder, welche für wen, warum und überhaupt… das übliche Blabla: Frauen, die nicht gerne in der zweiten Reihe sitzen und Füße, die nicht bis zum Boden reichen. Wenn ich was beitrage, beschleicht mich irgendwie leicht das Gefühl, dass ich komisch von der Seite angeschaut werde. Zumindest scheint es zu überraschen, dass ich von meinem Motorrad nicht nur die Farbe kenne.
Am nächsten Tag nach dem Frühstück: eine Regenpause. Die Bayernbuben nutzen sie und starten Richtung Gennargentu. Sie würden dort ein nettes Restaurant kennen, wenn wir auch Lust haben nachher noch zu fahren, sollten wir da mal reinschauen. Vielleicht trifft man sich ja. Wir lassen uns Zeit und starten etwas später. Die nächste Gewitterwolke ist im Anmarsch. Danach schauts aber ganz passabel aus. Nach 15 Kilometern hat uns der Wolkenbruch mit Blitz und Donner eingeholt. Wir machen ein Päuschen und fahren erst weiter als das Wasser nicht mehr knöcheltief auf der Straße steht. Oben in den Bergen hängt noch Nebel, aber es wird langsam besser. Irgendwann können wir auch etwas von der tollen Landschaft sehen und entdecken tatsächlich besagtes Restaurant. Wir rollen auf den Hof und siehe da: die beiden Jungs mit ihren Aprilias sind auch noch da. Ihre Klamotten hängen über alle Stühle verteilt zum Trocknen. Tropfnass wie die Pudel sind sie geworden, erzählen sie uns und freuen sich, dass wir tatsächlich noch kommen und die Sonne mitgebracht haben. Siegi und Martin sind hier beinahe zuhause. Sie kennen jede Kurve und jeden Stein von Sardinien. Vielleicht zeigen sie uns ja noch ein paar andere Geheimtipps. Das Restaurant hätten wir vermutlich nicht gefunden ohne die Beschreibung. Keiner dieser Touristenläden. Nach Spaghetti „aglio e olio“ und Cappuccino beschließen wir gemeinsam zur Küste zurück zu fahren. Das Gewitter ist längst weiter gezogen und am Himmel nur ein paar harmlose Wattepuschel und Sonne. Das macht richtig Laune nach der nassen nebligen Fahrt am Vormittag. Die Jungs starten übermütig die Motoren. Ich sage noch: „Ich möchte euch aber nicht im Weg rumstehen, fahrt ihr mal zu. Wir treffen uns am Hotel.“ „Neineinein… fahr Du vor, wir haben keine Eile und auch keinen Auftrag.“ Nagut, also wedeln wir auf den kurvigen Strecken durch den Nationalpark, es geht einigermaßen zügig. Stellenweise sind die Straßen noch nass, manchmal liegt Dreck rum. Ich fahre so, wie ich mich sicher und vor allem wohl fühle, ich muss niemandem was beweisen. Eigentlich mag ich solche Situationen nicht, weil es meist nur darum geht mal zu gucken wie die mit ihren kurzen Füßen auf dem großen Geschoss so zurecht kommt. Daher fahre ich lieber für mich alleine. Die Strecke eine wunderbare Achterbahn. Irgendwann halte ich an, um nachzufragen ob alles passt, sich irgendwer langweilt und wir vielleicht noch einen kleinen Umweg nehmen. Da kommt einer der Bayernbuben, Siegi, auf mich zugestürmt und noch bevor ich weiß wie mir geschieht und den Seitenständer ausklappen kann, umarmt er mich in seiner Euphorie und ruft: „Das ist so geil, das macht so Spaß!“ und dann kippen wir alle drei, Siegi, die Pikes und ich, in Zeitlupe nach links. Das nenn ich mal Schräglage.
...als wir uns wieder aufgerappelt haben, bin ich froh, dass niemand ernsthaft verletzt ist. Und ich bin auch froh, dass wir sie nicht vor Sardinien
runtergeschraubt haben: die Sturzbügel, die wir vor unserem Marokko-Urlaub im Frühjahr gegen "Eventualitäten" an unsere Motorräder montiert hatten. Da musste erst Siegi kommen um mir mal zu
zeigen wie man sich richtig in die Kurve legt. Nun weiß ich, dass sie tatsächlich schützen: zwar nicht vor stürmischen Bayern, aber vor größeren Schäden an der Multistrada. Wir haben alle sehr
gelacht... hinterher. Siegi wollte zwar am liebsten auf der Stelle im Boden versinken, und fast hätten wir am Ende noch Streit bekommen: denn seine Einladung zum Essen durften wir partout nicht
ausschlagen.
Danke Siegi und Martin für diesen unvergesslichen Tag und mindestens eine weitere Lachfalte!
Bis ganz bald!
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Silvia Jägle-Meßmer (Samstag, 16 Februar 2019 13:21)
Tolle Geschichte Suse ���...auch wenn ich nicht mehr fahre, höre und lese ich immer gerne solche Geschichten...auch die Fotos lassen alte Erinnerungen wach werden...einfach KLASSE ���